Viktor Giacobbo

, 5. September 2015, von Christian Felix

Alonso wittert Betrug

Casinotheater: Die Komödie «Alonso» führt vor, wie zwei mittelständische Ehepaare buchstäblich auf den Hund kommen. Bei der Premiere am Donnerstag erntete das Stück viele Lacher. Aber es ist auch eine Tragödie.

Zu Saisonbeginn präsentiert sich das Casinotheater mit aufgefrischten Räumen. Man ist daher umso gespannter, mit welchem Stück das Haus sein Premierenpublikum empfängt. Immerhin gilt es den Ruf zu verteidigen, eine der führenden Komödienbühnen der Schweiz zu sein. Das Theater tritt mit einem Stück von Stefan Vögel an. Der österreichische Autor verfasste bereits das erfolgreiche Premierenstück vom letzten Jahr, «Achtung Schwiiz!». Ein Wagnis ist bei der Premiere trotzdem dabei.

Es beginnt mit einer gewöhnlichen, allen bekannten Si­tua­tion. Zwei befreundete Ehepaare treffen sich zum Abendessen. Das Bühnenbild ordnet die vier Figuren dem modernen Mittelstand zu. Ihr Gespräch verweist auf gebildete, weit gereiste Personen. Sie sind alte, fast zu alte Freunde. Der Ton ist zänkisch, sogar giftig. Jeder weiss um die Schwächen des anderen und reitet gnadenlos dar­auf herum.

Etwas Fundamentales jedoch bleibt Rebecca (Tamara Cantieni) und Leo (Dominique Müller), dem Mann ihrer Freundin Trix (Anne Hodler), verborgen: Trix hat nämlich ein heimliches Verhältnis mit Rainer (Max Gertsch), Rebeccas Mann.

Hypersensibler Hund

Diese Ausgangslage führt zu Dialogen voller Pointen, die wie warmer Regen auf das Publikum niedergehen. Trotzdem bleibt zunächst unklar, wohin das Stück führt. Es nimmt sich Zeit, die Figuren zu etablieren. Viktor Giacobbos Regie unterstützt eine klare Charakterisierung der Personen. So bleibt man lange gespannt, was mit so unterschied- lichen Figuren noch geschehen wird.

Den Kristallisationspunkt des Stücks bildet eine fünfte Figur: ein Mexikanischer Nackthund mit dem Namen Alonso. Er soll Trix’ leerem Dasein einen neuen Inhalt verschaffen. Alonso ist hypersensibel. Er beisst zu, wenn man ihn nicht liebt. Vor allem aber bellt der Hund, sobald er Lug und Betrug wittert. Und in der gegebenen Konstellation hört er gar nicht mehr auf zu kläffen. Lügen haben jetzt im wörtlichen Sinn kurze Beine.

Dies wird zunächst Rainer zum Verhängnis. Alonso bringt seine Betrügereien an den Tag. Rainer hat weit mehr auf dem Kerbholz, als es den Anschein macht. Die sorgfältig aufgebauten Spannungen entladen sich nun in einem Donnerwetter. Alles fliegt auseinander, alles geht flöten, begleitet von Lachern und Szenenapplaus aus dem Publikum. Bald sind Ehen und Karrieren im Eimer. Schuld daran sind nicht etwas die Figuren mit ihren Lügen und ihrem Selbstmitleid. Nein. Es ist Alonso, das Hundsvieh! Eigentlich müsste man es abschlachten … Dieser Gedanke führt zu einer Wendung im Stück und zu seinem fulminanten Ende, das hier nicht verraten sei. Abendessen reiht sich an Abendessen, das Stück flitzt flott über die Bühne und kommt mit einem einzigen Bühnenbild aus. Das Schauspiel und die Schauspielführung zeichnen die Konflikte mit dem dicken Pinsel. Zwischendurch scheint Viktor Giacobbos Handschrift durch. Vor allem bei den Frauenfiguren. Rebecca wirkt schrill, Trix wahnsinnig nervös. So verleiht die Regie dem Stück ein paar knallige Farbtöne. Die Komödie «Alonso» ist ein Bonbon. Das Publikum nimmt es mit grossem Applaus entgegen.

In Wahrheit eine Tragödie

Erst beim Hinausgehen dämmert es einem, dass «Alonso» in Wahrheit ein ernstes Lehrstück ist. Es zeigt die Tragödie von Menschen gegen fünfzig. Ihre Kinder sind ausgeflogen, Schönheit und Potenz welken dahin, die Karrieren erleiden einen Knick. Weil man an den eigenen Lebenslügen festhält, gehen auch die Beziehungen zu Ehepartnern und alten Freunden in die Brüche. Zurück bleibt – der Hund.

Eine hohe Kunst ist es, einen tieferen Inhalt in eine witzige und geistreiche Komödie zu verpacken. So gesehen ist «Alonso» ein starkes Stück. Es ist dem Ruf des Casinotheaters als einer führenden Schweizer Komödienbühne mehr als angemessen.

2017