Viktor Giacobbo

, 22. Dezember 2005, von Lukas Hässig

– 5000 Franken pro Stunde. Mindestens –

Schluss mit den gusseisernen Kritiken, die Schweiz könnte das Land des Lachens sein: Hier verrät Viktor Giacobbo, wo die wirklich komischen Vögel nisten.

Herr Giacobbo, Sie sind Kinoheld, haben ein eigenes Theater, schreiben Kolumnen. Nächstes Jahr sind Sie im Circus Knie. Was treibt Sie an?

Grundsätzlich bin ich ein fauler Mensch. Was mich interessiert, sind spannende Projekte zusammen mit Leuten, die ich mag. Dafür mache ich mich manchmal zur Medien-Nutte, so wie jüngst für den Film «Undercover». Jetzt wäre es Zeit für eine Medienpause.

Dann sollten Sie kein Interview geben.

Ich mache eine Ausnahme. Weil ich Weltwoche-Leser bin und mich Ihre Zeitschrift herausfordert, mich manchmal stinksauer macht, mich dann wieder wahnsinnig interessiert. Das Layout ist auch gut, als einstiger Schriftsetzer kann ich das beurteilen.

Da waren Sie zwanzig und Mitglied einer kommunistischen Zelle.

In der gleichen wie Ihr jetziger Chefredaktor, er in der Revolutionären Aufbauorganisation Zürich, ich im kleinen, provinziellen Winterthurer Ableger.

Was propagierten Sie?

Es war Anfang der siebziger Jahre, wir unterstützten Maos Kulturrevolution. Als Stalin zur ideologischen Referenz wurde, trat ich aus.

Mao lag noch drin?

Zumindest jener Mao, wie ihn die Propaganda damals darstellte. Bevor ich meinen Austritt gab, habe ich Depp auch noch den Quatsch von Stalin gelesen. Statt einfach zu verschwinden, wollte ich argumentieren können.

Waren Ihre Eltern links?

Mein Vater war Metzger und in der Gewerkschaft, aber kaum aktiv. Wenn ich von meinen radikalen Meetings nach Hause kam, sass er im Trainingsanzug vor dem Fernseher, quasi die fleischgewordene Arbeiterklasse. Er widerstand allen meinen Missionierungsversuchen tapfer.

Mit 38 erhielten Sie die Chance, zum grossen TV-Satiriker zu werden.

Das klingt mir zu pompös. Wenn ich etwas reizvoll fand, engagierte ich mich dafür. Einst verfasste ich für eine kleine alternative Zeitung Kolumnen. Das löste schon damals ein Echo aus. Inzwischen ist es einfach grösser geworden.

Die Grösse des Publikums ist Ihnen egal?

Heute natürlich nicht mehr. Die Erwartungen sind höher, ich packe eine neue Produktion mit mehr Professionalität an. Beim Fernsehen waren wir Newcomer, niemand glaubte daran, dass Satire mit Politiker-Talk funktionieren würde, schon gar nicht live.

«Viktors Spätprogramm» wird vermisst. Heute ärgert sich mancher Zuschauer über «Black’n’Blond» mit Roman Kilchsperger und Chris von Rohr. Schauen Sie die Sendung?

Ich war sogar Gast, da konnte ich zweieinhalb Sätze sagen, ehe ich Pfeile werfen musste. Aber das ist ja nicht Satire, sondern LateNight-Comedy. Vielleicht müsste man das Programm mehr auf die Moderatoren zuschneiden.

In der Schweiz gibt es keine Nachwuchsstars.

Das ist ein Klischee. Mit dröger Regelmässigkeit schreibt einer Ihrer Zunft, wie schlimm es um den Schweizer Humor bestellt und wie wahnsinnig lustig der englische Humor sei.

Nennen Sie uns die Talente.

Duo Fischbach, Ursus & Nadeschkin, Lorenz Keiser, Andreas Thiel, Joachim Rittmeyer, Massimo Rocchi, Ohne Rolf, Die Geholten Stühle, Stahlbergerheuss, Lapsus etc. Die sind alle saugut. Nur sind einige faule Säcke von Redaktoren in ihren geschützten Werkstätten zu bequem, ihren Fernseher auszuschalten, die Künstler live auf der Bühne zu sehen und sie über Jahre hinweg zu beobachten. So was würde man dann Fachjournalismus nennen.

Sie sprechen von Ihrem Casinotheater, das Sie mit Freunden betreiben. Läuft das Geschäft?

Es läuft gut, aber nicht von alleine, wir müssen ständig innovativ daran arbeiten. In dieser Grösse gibt es sonst kaum ein Theater, das ohne Steuermittel auskommt.

Was wollen Sie erreichen?

Spass am Neuen und Unkonventionellen haben. An einer Matinee spielten wir die «Arena» vom Schweizer Fernsehen nach. Prominente Künstler lasen die Texte der Originalsendung in verteilten Rollen vor.

Das war lustig?

Die Leute lachten. Wir lasen alles genau vor, mit allen «Ähs» und «Öhs» und «Reden Sie mir nicht ständig ins Wort». Wir können Dinge ausprobieren, die ein traditionelles Haus höchstens nach einjähriger Planung ins Programm aufnehmen würde.

Die Darsteller sprachen die «Arena» gratis?

Sie machten aus Spass mit. Natürlich haben auch wir Produktionen, die rentieren müssen. Dieses Jahr «Ein seltsames Paar», das war eine unserer teuersten und erfolgreichsten Aufführungen. Nur probte ich den ganzen August für 3500 Franken. Da muss man Liebhaber sein. Umso teurer bin ich, wenn ich an einem Firmenanlass auftrete.

Sie verlangen 5000 Franken für einen einstündigen Talk?

Mindestens. Einen mittelgrossen Teil meines Vermögens habe ich ins Casinotheater investiert, ohne Aussicht auf Rückerstattung.

Viktor Giacobbo, 53, wurde mit der Satiresendung «Viktors Spätprogramm» zum TV-Star. Seit 2002 betreibt er das Casinotheater in Winterthur.

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